BlogbeitragErlaube mal! Oder die Challenge, NEIN sagen zu lernen…
Wie viel Erlaubnis erlaubst du dir? Wie viel NEIN erlaubst du dir?
Mit der Erlaubnis ist das so eine Sache. Je nachdem, in welchem Verhältnis wir mit ihr groß geworden sind, begleitet uns das Verhältnis zu ihr ein Leben lang. Wenn Erlaubnisse in unserer Kindheit und Jugend rar waren, wir viel um sie kämpfen mussten und sich unsere direkten Vorbilder schwer mit ihr taten, gelingt uns im Erwachsenen-Alter selten ein leichter und unbeschwerter Umgang mit ihr. Zu tief verwurzelt sind unsere Verhaltensmuster. Meist fehlt uns die Fantasie für Alternativen.-
Die erste große und wichtige Erkenntnis, die ich im Laufe meines Lebens irgendwann selbst gewonnen habe, ist, dass ich mir die Erlaubnis für Änderungen, Entscheidungen, einfach Dinge, die mir wichtig sind, selbst geben kann.
Naturgemäß entscheiden in der ersten Phase unseres Lebens unsere Eltern oder engsten Bezugspersonen für uns. Später dann auch Lehrer*innen, Trainer*innen, Vorgesetzte oder andere Menschen. Die Erlaubnis für unser Handeln und unsere Möglichkeiten kommt dann fast immer von außen. Wir sind mehrheitlich kollektiv so programmiert, dass wir auf die Erlaubnis von außen warten. Manchmal fordern wir sie auch ein – überwiegend bleiben wir aber passiv und warten.
In meinen Beratungen und Coachings ist mir immer wieder aufgefallen, wie wichtig und zentral dieses Thema sich selbst Erlaubnis geben ist. Wir gehen in herausfordernden Situationen überwiegend in die Selbstkritik, halten uns für nicht gut, schnell, intelligent, erfahren, eloquent genug. Anstatt uns die Erlaubnis zu geben, uns selbst in unserer Individualität anzunehmen. -
Es braucht ein (neues) Bewusstsein fürs Erlauben
Was uns in irritierenden Situationen hilft und guttut, ist der Blick ins eigene ICH. Und die Annahme all dessen, was da ist. Aller Gefühle, Irritationen, Überforderungen, Verletzungen, Zweifel, Ängste, Trauer, Scham und Wut. Sie gehören zur Situation und zu uns. Sie verraten uns immer ein Stück über die Topografie unserer Grenzen, unserer Bedürfnisse und dem, was wir gerade oder grundsätzlich brauchen. Die Fragen, die wir uns stellen dürfen, lauten: Wie geht’s mir gerade, was irritiert mich, was macht mir das Leben schwer, wobei bräuchte ich Klarheit, was brauche ich, wie viel und von wem? -
Wir arbeiten zu viel und hoffen, von unseren Vorgesetzten, vielleicht auch Kolleg*innen, die Erlaubnis zu bekommen, Feierabend zu machen oder endlich Urlaub zu planen. Am besten regelmäßig und bedürfnisgerecht. Dazu müssen wir uns aber unserer Bedürfnisse bewusst werden.
Als Eltern schmeißen wir neben unseren Jobs, der Kinderbetreuung und sämtlicher Verpflichtungen den Haushalt, legen todmüde noch die Wäsche zusammen und geben uns nicht oder viel zu spät die Erlaubnis, schlafen zu gehen.
Oft sind wir in unseren Rollen gefangen. In denen, die wir von außen bekommen haben oder auch die, die wir uns selbst gegeben haben. Als Retter*in, Starke*r, Kreative*r, als Sportler*in, als Alleinerziehende*r, als Vorgesetzte*r, als Ehrenamtliche*r, als jemand, den man immer anrufen kann. Wir können Vieles, oft aber kein NEIN. Ein NEIN würde bedeuten, JA zu mir und meinen Bedürfnissen zu sagen. Und den Erwartungen, Wünschen, Ansprüchen meiner Umwelt ein NEIN entgegenzusetzen. Ein NEIN braucht erstmal die innere Erlaubnis, dass ich NEIN sagen darf. Ein NEIN nach außen macht uns Angst. Meist haben wir Angst vor Ablehnung und dass wir weniger geliebt werden, dass unser Bild nicht dem entspricht, wer wir sein wollen oder sollen. Vielleicht haben wir auch tatsächlich die Erfahrung gemacht, dass ein NEIN Konsequenzen nach sich zieht, die ungemütlich, verstörend, unschön sind.
JA zu uns und NEIN zu dem zu sagen, was sich einfach zu viel, zu überfordernd, zu unpassend anfühlt, ist der größte Akt an Selbstliebe und Selbstfürsorge, den wir uns selbst angedeihen lassen können. -
Der Weg dahin ist oft lang, steinig, geplagt vom schlechten Gewissen, dass wir die anderen allein lassen, dass wir nicht die Freundin, der Freund sind, die/der wir gern sein wollen.
Wir müssen lernen zu akzeptieren, dass wir nur dann geben können, wenn wir selbst in unserer Kraft sind.
Wir können geben, helfen, unterstützen, Überstunden machen, trösten, Umzugshelfer*in sein, kurzfristig über unsere Grenzen gehen, wenn es uns gut geht, wenn wir ausreichend Energie für uns haben, um auch noch welche abgeben zu können. Und natürlich bekommen wir beim Geben mitunter auch Energie zurück. Aber eben nicht immer und nicht automatisch. Die Kunst und die Herausforderung besteht für jeden von uns darin, den Blick ins eigene ICH zu schulen und zu schärfen, um den Füllstand unseres persönlichen Akkus im Blick zu haben und unsere Bedürfnisse zu spüren. Je besser uns das gelingt, je sicherer wir im Umgang mit uns selbst werden, umso schneller können wir in Situationen den Abgleich schaffen zwischen dem Außen, dem, was von uns gebraucht wird, und dem Innen und dem, was wir geben können. -
In meinen Coachings erlebe ich immer wieder Menschen, die kurz davor sind, auszubrennen oder bereits die Erfahrung in ihrem Leben machen mussten, dass die Energie nicht ausreicht.
Wenn du dich hier wiederfindest, hab ich ein paar Tipps, die dich unterstützen können:- Halte inne und horch in dich rein. Wie geht es dir? Wie fühlst du dich? Was brauchst du aktuell und von wem?
- Bewerte dich und die Situation nicht. Du bist nicht zu faul, zu schlecht, zu wenig… (Es ist dein innere*r Kritiker*in, die/der nervt.)
- Gehe ins Mitgefühl. Für dich. Für deinen Zustand.
- Akzeptiere, dass es so ist, wie es ist. Versuche, aus dem Widerstand zu geben.
- Gib dir selbst die selbst die Erlaubnis für das, was du brauchst.
- Wenn dein Kopf nicht mitspielt, dein schlechtes Gewissen dich quält oder andere Umstände, die Erlaubnis verhindern, suche dir Unterstützung in deinem Umfeld. Lass dir die Erlaubnis von außen geben. Diese anzunehmen fällt uns meist leichter.
- Wenn du Dinge absagen musst, musst du nichts erklären. Aber du kannst dem ehrlichen Bedauern Ausdruck verleihen. Allein das schafft bereits Verbindung, Verständnis und Akzeptanz.
- Vertraue darauf, dass die Energie wieder kommt.
- Umgib dich mit Menschen, die dir guttun und nimm dir Zeit für dich. Tue Dinge, die dir Energie geben und nimm sie bewusst war.
- Führe dir vor Augen, was du bis hierhin erreicht hast, welche tollen Menschen in deinem Leben sind. Spüre Dankbarkeit für die Fülle und Ressourcen, die du bisher mit deiner Energie angezogen hast.
- Wenn die Energie nicht so schnell wieder kommt, wie du es wünscht, schau dir das Gesamtpaket deines Lebens an. Manchmal ist auch Entwicklung und Veränderung sehr anstrengend, auch wenn im Außen davon nicht viel zu sehen ist.
- Sollte die Energie dauerhaft ausbleiben, suche dir Hilfe und Unterstützung von außen. Wir alle brauchen zur Reflektion unseres Selbst ein Gegenüber, das uns hilft, unsere Muster zu erkennen, unsere blinden Flecken zu entdecken und wieder in unsere Kraft zu finden. Das können Gespräche mit Freunden und Vertrauten sein, aber auch ein Coaching. Bei tieferen, älteren Wunden und traumatischen Erfahrungen kann eine Therapie das Mittel der Wahl sein.
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In jedem Fall müssen wir nicht in der Kraftlosigkeit und in der Situation verharren. Aus der Resilienzforschung ist bekannt, dass Menschen schneller wieder in ihre Kraft kommen, wenn sie sich dies erlauben und das Bewusstsein haben, es nicht allein schaffen zu müssen.
Bereits der erste Schritt, sich zu erlauben, sich wichtig genug zu nehmen, sich um sich selbst zu kümmern, ins Handeln zu kommen, bringt uns aus dem Gefühl der Ausweglosigkeit und des Ausgeliefertseins.
Wir alle sind es wert, dass es uns gutgeht, wir mit Freude unser Leben gestalten dürfen und eine individuell gute Balance schaffen, für all das, was wir wollen, brauchen und sollen.
Sag JA zu dir, NEIN zu allem, was dich von deiner Kraft abschneidet, erlaube dir das Leben, das du gern führen möchtest und vertrau dir aus ganzem Herzen.
Eure Jana