Blogbeitrag2021 geht endlich zu Ende und nun?

2021 geht endlich zu Ende und nun?

GOOD NEWS – statt sich ausgeliefert fühlen


Beim Blick in meine Notizen der letzten Monate lese ich über viele spannende Themen und Gedanken, die ich mir immer wieder zwischendurch notiert habe. Spannende Aufgaben, die es allesamt wert wären, gesehen, bearbeitet, durchdrungen zu werden. Es gibt viele Dinge, die wir angehen können, sollten, müssen oder wollen, gemeinsam und auch jede*r für sich.
  • Beim Abgleich mit meinem Innen und meinem Erleben der aktuellen Situation, mit der wahrnehmbaren und stärker werdenden Anspannung, die ich überall erlebe, verwerfe ich die meisten Themen gleich wieder. Nicht weil sie nicht aktuell oder uninteressant sind, sondern weil ich sie aktuell nicht für ausreichend relevant erachte. Ich versetze mich in euch, in meine Leser*innen, hinein und versuche mit aller Empathie zu erfühlen, was euch, was dich bewegt.

    Dieser Blogbeitrag ist der letzte in diesem Jahr. Mein großer Wunsch ist es, zum Jahresende dieses überaus fordernden Jahres über etwas Schönes zu schreiben, etwas, das Mut macht, Kraft gibt, für ein paar Momente, die Welt vergessen lässt. Im besten Fall berührt oder auch schmunzeln lässt. 

    Ein Text, der etwas dagegensetzt. Gegen all das, was uns kollektiv beschäftigt. Teil meiner Identität ist natürlich auch die liebgewonnene „Berufskrankheit“, vor allem erst mal zu hinterfragen, was das alles mit mir selbst zu tun hat und mit mir macht. Und es hat viel mit mir selbst zu tun.

    Aber eben auch mit den vielen kleinen und großen Situationen im Alltag, in denen mir fremde, unbekannte und vertraute Menschen begegnen. Mein Text hat auch mit ihnen zu tun, was sie erzählen, worüber sie klagen, traurig sind, wie sensibel sie reagieren. Er soll all denen eine Stimme geben, die arbeiten und keine Zeit, Kraft und Gelegenheit haben, selbst zu schreiben und die dennoch wahnsinnig viel leisten, oft für andere und mit großer Vision und viel Energie, Ideen entwickeln und umsetzen – um die Welt ein Stück besser und lebenswerter zu machen.
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  • Die Kollektive Hilflosigkeit bremst uns aus

    Viele Menschen fühlen sich in der aktuellen Corona-Welle hilflos. Sie haben den Eindruck, ausgeliefert zu sein. Das geht mir nicht anders. Und es zehrt an meinen Kräften in einer neuen unbekannten Dimension. Es fühlt sich wie ein unfreiwilliger Marathon an, der immer wieder verlängert wird und nicht klar ist, ob wir je ankommen werden. Wer würde sich da nicht ausgeliefert fühlen. Wir können unsere Kräfte nicht einteilen, uns auf ein Ziel, ein Ende, etwas Bekanntes freuen.

    Es ist eben nicht nur so, dass wir diesem Virus ausgeliefert sind, das eben anders ist als alles, was ich in fast fünfzig Jahren erlebt habe und das in ständig neuen, tückischeren Varianten auftaucht. Sondern es ist auch Ausgeliefertsein den Entscheidungen einer zunehmend radikalen Minderheit, denen die eigene Weltsicht wichtiger ist, als das Leben ihrer Mitmenschen und die so große Auswirkungen auf uns alle hat. Ausgeliefertsein einer zögerlichen Politik, die zu wenig aus eigenen Fehlern gelernt hat. Wir alle, die wir uns den sich ständig verändernden Entscheidungen ausgeliefert fühlen, die vermutlich in der jeweiligen Situation notwendig, im besten Fall richtig sind oder zumindest an die Hoffnung gekoppelt sind, Linderung zu bringen. Nicht zuletzt das Ausgeliefertsein einem ausgezehrten Gesundheitssystem und Menschen, die dennoch heldenhaft darin arbeiten, obwohl sie vermutlich noch viel mehr Gründe hätten, zu kündigen, sich zu beklagen und einfach morgens liegen zu bleiben.
  • Dem Ausgeliefert sein etwas entgegensetzen

    Nun bin ich aktuell mal wieder im mobilen Office unterwegs. Nur ein paar Tage. Zum einen, um Zeit zu haben, längere Zeit am Stück zu lesen, zu denken, zu schreiben, aus meinem Trott und Radius auszubrechen und die Dinge aus anderer Perspektive zu betrachten. Zum anderen um einfach ein wenig Kraft zu tanken und ein wenig in der Natur zu sein. Ich bin diesmal nicht weit weggefahren. Brandenburg ist schön, sogar im Herbst und Winter. In Neuruppin habe ich den See direkt vor Tür. Ein Geschenk.
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  • Ich versuche es mal mit dem Perspektivwechsel und was wir dem Ausgeliefertsein entgegensetzen können. Vielleicht besser Entgegensetzen müssen. Denn eine andere Chance haben wir nicht. Aber die Chance einer eigenen neuen und positiven Haltung haben wir immer wieder. Nichts anderes ist positive Psychologie.

    Wenn wir uns ausgeliefert fühlen, empfinden wir Kontrollverlust. Wir sind nicht mehr Herr der Lage und des eigenen Schicksals. Je nach Naturell reagieren wir unterschiedlich. Ein Kontrollverlust ist bedrohlich. Wer plötzlich feststellen muss, dass er keinen Einfluss mehr auf den Gang der Ereignisse hat, weil er beispielsweise im Lift feststeckt oder sein ins Schleudern geratenes Auto nicht mehr kontrollieren kann, bekommt Angst bis hin zur Panik. Bei einer Pandemie kommt das Unbekannte und nicht Planbare hinzu – zeitlich, gesundheitlich, persönlich, emotional.

    Winfried Berner schreibt dazu:

    „Auch für psychisch stabile Menschen bedeutet es extremen Stress, wenn ihnen plötzlich die Kontrolle über ihr Schicksal aus der Hand genommen ist und sie zum Spielball der Ereignisse werden. Genau das ist es jedoch, was Übernahmen, Fusionen und Umstrukturierungen für Mitarbeiter und Führungskräfte bedeuten: Von einem Moment auf den anderen liegt der weitere Verlauf ihres (Berufs-)Lebens nicht mehr in den eigenen Händen, sondern wird durch die Entscheidungen Dritter bestimmt. Ein solcher Kontrollverlust löst zunächst Angst, Wut und Widerstand aus; wenn es nicht gelingt, die Kontrolle zurückzugewinnen, schlägt die Frustration in Hilflosigkeit und Resignation um.“

    Was für Umstrukturierungen im Kleinen gilt, gilt auch im Großen und für unsere Gesellschaft. Nur können wir unser System, die Welt Firma gerade nicht verlassen. Selbst Auswandern ist nicht hilfreich. Das Virus spielt Hase und Igel und ist im Zweifel immer schneller als wir.
     
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  • Was hilft nun, wirksam zu werden und wieder die Kontrolle zu erlangen?

    Viele Dinge, die wir tun – auch aktuell – entspringen dem (häufig unbewussten) Bedürfnis, auf diese Weise durch eigenes aktives Handeln die Kontrolle zurückzugewinnen. Nur dann fühlen wir uns im Gleichklang, sind wirksam und geraten nicht in die Gefahr, der (vom Sozialpsychologen Martin Seligman benannten) sogenannten „Gelernten Hilflosigkeit“, einem Zustand von Passivität, Apathie und Depression. Wenn übrigens die Mehrheit eines Unternehmens gelernt hilflosagiert, sind die Folgen dramatisch. Solch ein Unternehmen ist im Markt und Wettbewerb kaum noch handlungsfähig, es reagiert kaum noch auf Führungsimpulse, sondern lässt, was auch immer geschieht, es apathisch und teilnahmslos an sich vorbeiziehen. Ein solches Unternehmen wiederzubeleben, zählt zu den schwierigsten Aufgaben der Kulturveränderung. Was das für ein ganzes Land oder gar die Weltbevölkerung bedeutet, mag ich mir gar nicht vorstellen…

    Was mir wirklich immer wieder hilft – mal besser, mal schleppend, aber immer mit einem kleinen Plus auf der Habenseite – ist die bewusste ressourcenorientierte Wahrnehmung meiner Situation, meiner Umwelt und meiner Selbst. Meint: dahin zu schauen, wo die Sonne scheint, das Licht ist, die Menschen sind, die mir guttun, die Möglichkeiten wahrnehmen, die mir bleiben oder unter den gegebenen Bedingungen neue zu schaffen. Und auch wenn es vielleicht ausgeleiert klingt, ist es dennoch DIE Möglichkeit mit dem größten Potenzial.
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  • Unsere Berichterstattung hat sich sehr einseitig entwickelt. Krisen, Katastrophen, Hiobsbotschaften und Skandale bestimmen unsere Nachrichten. Das führt zu einer sehr einseitigen Wahrnehmung unserer Welt. Viele Dinge können und dürfen wir auch nicht ignorieren, aber die Flut an negativen Informationen überfordert und lähmt. Macht hilflos. Um dem etwas entgegen zu setzen, können wir uns alle im Alltag mit mehr guten Nachrichten versorgen. Beispiele für Good News gibt es zum Beispiel unter goodnews.eu Good News bietet täglich von Montag bis Freitag einen Überblick über die wichtigsten guten Nachrichten und lösungsorientierten Beiträge aus den deutschsprachigen Medien: via App, Newsletter, Website und Browser-Erweiterung.
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  • Wenn ich an die wahnsinnige Hilfsbereitschaft denke, die immer wieder zu spüren ist, wenn Hilfe gebraucht wird, bekomme ich Gänsehaut und manchmal kommen mir auch die Tränen. Als das Ahrtal überschwemmt wurde und so viele Menschen und Initiativen auf unterschiedliche und kreative Art und Weise gespendet und Hilfe organisiert haben. Das Spendenaufkommen in Deutschland insgesamt ist riesig. Egal wo ich hinschaue, gibt es Menschen, die im Kleinen wie im Großen, ihre Freizeit, ihr Geld, ihre Ressourcen einsetzen, um ärmere, traumatisierte, kranke, eingeschränkte, junge, alte oder einfach traurige und müde Menschen zu begleiten, zu unterstützen und einfach einen Unterschied machen.
     
    Ein paar sehr unterschiedliche „Leuchttürme“, die mich persönlich sehr beeindruckt haben, mir Mut machen und die ich unterstützenswert finde, möchte ich hier noch nennen:
    • Obdachlose werden durch Housing First begleitet auf dem Weg zur eigenen Wohnung: www.housingfirstfonds.de housingfirstberlin.de
    • Ein Schweizer Unternehmen, gegründet von Meeresbiologinnen und Wissenschaftlerinnen, entwickelt Korallenriffe aus dem 3D-Drucker und baut damit Korallenriffe wieder auf. Nachhaltig, wissenschaftlich und mit künstlerischem Weitblick. www.rrreefs.com
    • Wie kann man ÖPNV, Digitalisierung und Spaß mit der Reinigung der Amsterdamer Grachten verbinden? Mit selbstfahrenden Booten in Amsterdam roboat.org
    • Die Berliner Filmemacherin Theresa Breuer hat das Team “Kabul Luftbrücke” gegründet und rettet/e hunderte Menschen vor den Taliban aus Afghanistan und bringt diese in Sicherheit www.kabulluftbruecke.de
    • Kompostierbare Verpackungschips, geliefert im super umweltfreundlichen Graskarton www.biobiene.com/kompostierbare-verpackungschips
    Meine Links sind Beispiele für unterschiedlichstes Engagement und Kreativität von Menschen. Und nur ein kleiner Ausschnitt ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Neben öffentlichkeitswirksamen Projekten gibt es aber auch die vielen Selbstständigen und Unternehmer*innen, die trotz Unsicherheit an ihren Traum glauben, ihrer eigenen Vision folgen und Firmen gegründet, Hotels und Restaurants, Läden und Praxen eröffnet haben. Und es gibt die vielen Menschen, die sich einfach verantwortlich fühlen, jeden Tag ihr Bestes geben, auf der Arbeit, in der Familie, im Ehrenamt – trotz schwieriger, ständig wechselnder Umstände. Die damit Mut machen, für andere da sind, leise und ohne viele Worte. Das macht mir wirklich Mut und gibt mir Kraft. Meistens.
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  • Was mir grundsätzlich noch hilft und mich entlastet ist, einfach anzuerkennen, dass wir aktuell kollektiv gestresst, ausgelaugt, überfordert sind. Und dadurch sensibel, dünnhäutig, weniger belastbar und müde sind und ungeduldig und ungerecht auf unsere Umwelt reagieren. Das anzuerkennen, fällt mir selbst auch nicht immer leicht. Weil es eben nicht dem Bild entspricht, das ich gern von mir habe. Welche Schlüsse muss ich nun daraus ziehen, damit es mir gut geht? In jedem Fall nachsichtig sein mit meiner Umwelt, mir selbst und gut mit mir selbst sein.

    Ich wünsche uns allen, dass wir uns gegenseitig Verständnis entgegenbringen, wenn wir kraftlos sind, dass wir Unterstützung bekommen, wenn wir sie brauchen, dass wir umarmt werden, wenn wir verletzt sind. Und Liebe sowieso. Kräfte sammeln und einteilen. Vielleicht gelingt uns das ein wenig über den Jahreswechsel.

    In diesem Sinne – genießt die Vorweihnachtszeit, bleibt gesund, stabil, aufmerksam und passt gut auf euch auf.

    Eure Jana